Hasenberger Kriegslisten
oder
So läuft der Hase
I. Unter falscher Flagge segeln
II. Mit der Faust auf den Tisch hauen und sich heimlich davonstehlen
III. Die Spielregeln vorgeben und den Schiedsrichter auswählen
IV. Das Blaue vom Himmel herunter versprechen
V. Ein Gartenhaus vortäuschen um eine Luxus-Villa zu erlangen
VI. Großzügig den Schwarzen Peter vergeben
VII. Mit dem Recht auf die Rechte eindreschen
I. Unter falscher Flagge segeln
Herr K. und die Listen
Neulich, beim Durchstöbern eines Bücherregals, erzählte Herr K., sei ihm ein altes Buch mit amüsanten Geschichten wieder in die Hände gefallen. Dieses Buch handle von den
36 Kriegslisten, die angeblich im fernen China jedem Kind vertraut sein sollen.
Zufällig war bei dem Gespräch ein ausländischer Journalist dabei, der ganz erstaunt fragte, ob diese Geschichten nicht auch hier in der Gegend gut bekannt seien. Denn er habe gedacht, sagte der Journalist, er wäre vor einiger Zeit Zeuge einer solchen gut umgesetzten List geworden.
Um welche Kriegslist es sich denn dabei gehandelt haben solle, fragte Herr K. etwas irritiert.
Nun, entgegnete der ausländische Gast, er habe gedacht, es habe sich um die List:
„Unter falscher Flagge Segeln“ gehandelt.
Anders habe er sich gar nicht erklären können, wieso vor der letzten Landtagswahl auf allen möglichen Demonstrationen so viele grüne und rote Fahnen zu sehen waren, von denen aber die meisten nach der Wahl urplötzlich wieder verschwunden gewesen seien.
II. Mit der Faust auf den Tisch hauen und sich heimlich davonstehlen
Herr K. und das Fabeltier
Bei dem Besuch in einem Tiergarten beobachtete Herr K. einen Maler, der seine Staffelei vor einem Tigerkäfig aufgestellt hatte. Das Tier, das allmählich auf der Leinwand Gestalt annahm, hatte aber wenig Ähnlichkeit mit dem großen, beeindruckenden Zoo-Tiger. Deshalb befragte Herr K. den Künstler nach seiner Arbeit.
„Nun,“ sagte der Künstler, „ich arbeite an einem Sinnbild. Der Tiger ist nur eine Vorlage, die mir hilft, das, was ich darstellen möchte, genauer zu treffen. Wenn das Bild fertig ist, dann wird jeder Betrachter hoffentlich leicht erkennen, dass es sich um ein Tier mit einem Drachenkopf, einem großen Maul und einem Rattenschwanz handelt.“
„Und was soll damit gemeint sein?“ fragte Herr K..
„Nun,“ sagte der Maler, „mit dem Kopf ist natürlich der Anfang und mit dem Schwanz das Ende gemeint. So, wie bei einem modernen Berufspolitiker, der mit der Faust auf den Tisch haut und vollmundig große Forderungen erhebt, um sich dann heimlich und unbemerkt aus dem Staub zu machen.“
III. Die Spielregeln vorgeben und den Schiedsrichter auswählen
Die sieben Künste oder Herr K. und das Symposion
Herr K. hatte einige Gäste zu einem Gastmahl eingeladen, bei dem allerdings die gesellige Unterhaltung ganz im Vordergrund stand.
Früher hätte er geglaubt, dass die Musik die höchste aller Künste sei, sagte einer der Gäste, an dieser Meinung würde er in gewisser Weise festhalten, und mit einem höflichen Blick auf den Gastgeber fügte er hinzu, auch wenn er heute zugeben müsse, dass die Kochkunst noch mehr Genuss bereiten könne, als die Musik und alle anderen Künste zusammen.
Dieser Erkenntnisfortschritt, nämlich dass er die Überlegenheit weltlicher Genüsse erkannt habe, meinte ein anderer Gesprächsteilnehmer, bringe ihn wieder den Quellen näher. Schließlich hätten auch die alten Griechen den menschlichen Körper hoch geschätzt und den olympischen Disziplinen des Sports den höchsten Wert zugemessen.
Na ja, na ja, entgegnete einer, das Glas zum Toast erhoben, man möge bitte nicht vergessen, dass die Griechen auch Dionysos, den Gott des Weines, verehrt hätten, und deshalb seien sie ja diejenigen gewesen, die mit der Philosophie die höchste aller Künste hervorgebracht hätten.
Das gelte vielleicht für Europa, widersprach ein weitgereister Schwabe, in vielen Ländern Asiens sei dies aber anders, denn dort würde keine Kunst so hoch geschätzt, wie die Kalligraphie, die Kunst des Schönschreibens, die ja in gewisser Weise allen anderen Künsten zugrunde liege und Anmut, Schönheit, Wahrheit, Dynamik und Energie wie keine der anderen Künste zum Ausdruck bringen könne.
Aber die Kalligraphie, beeilte sich der anwesende Bildhauer zu sagen, die Schönschreiberei, ist ja nur ein Teilbereich der Malerei. Der Vorzug gebühre zweifellos den gestaltenden Künsten, der Malerei, vor allem aber der Bildhauerei und der Architektur.
Nun ja, für die Architektur habe das vielleicht früher gestimmt, ergänzte der Intendant des örtlichen Theaters. Aber der Niedergang dieser Kunst sei ja gerade in dieser Stadt, in der sie dank der Großzügigkeit des Gastgebers gerade weilen würden, der Niedergang der Architektur sei ja unübersehbar und deshalb würde das Theater am dringendsten benötigt, denn wie keine andere Kunst sei das Theater doch in der Lage, die Gesellschaft günstig zu beeinflussen und voranzubringen.
Herr K. schmunzelte, ehe er etwas zu dieser gelehrten Diskussion beitragen wollte.
„Ja, das stimmt,“ sagte er, „Theaterspielen ist eine ganz große Kunst.“
Er führte aus, dass er überhaupt nichts gegen Spiele und Rollenspiele einzuwenden habe, ganz im Gegenteil. Allerdings sei er der Meinung, die größte Kunst bestehe darin, im Zweifelsfall selbst die Spielregeln zu bestimmen, oder doch zumindest den Schiedsrichter gut auszuwählen.
“Denn wer den Schiedsrichter, den Moderator oder den Schlichter bestimmt, der gehört immer zu den Gewinnern.”
IV. Das Blaue vom Himmel herunter versprechen
Herr K. und die Farbe Blau
„Manche Leute denken, es sei einfach, den Weihnachtsmann zu spielen, aber das stimmt nicht,“ sagte Herr K. „die Leute haben leider viel zu große Erwartungen, und es ist nicht immer leicht, diesen gerecht zu werden.“
„Oh,“ entgegnete sein Freund, „da hast Du das politische Geschäft aber noch nicht richtig verstanden. Es kommt nicht darauf an, die überzogenen Erwartungen der Leute zu erfüllen, sondern es kommt darauf an, große Versprechungen zu machen.“
„Wie soll ich das jetzt wieder verstehen,“ fragte Herr K..
„Nun,“ entgegnete sein Freund, „wenn man Zusagen macht, dann darf man nicht zu bescheiden sein, man muss mit großen Schritten voran gehen, und man muss an die Phantasie der Leute appellieren. Das Beste ist es meist, sozusagen das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen.“
„Aber die Leute merken doch, dass es nicht möglich ist, solche Versprechungen einzuhalten,“ sagte Herr K. empört.
„Das ist das kleinste Problem,“ antwortete sein Freund, „eine Ausrede ist allemal schnell zur Hand. Zur Not kann man einfach sagen: `da habe ich den Mund zu voll genommen.`“
V. Ein Gartenhaus vortäuschen um eine Luxus-Villa zu erlangen
Herr K. und die Abstimmung
„Es ist nicht einfach, eine Niederlage in einen Sieg zu verwandeln,“ sagte Herr K.
„Das kommt darauf an, wer die Deutungshoheit hat,“ sagte einer seiner Freunde.
„Das klingt gut, aber wie soll mir das weiterhelfen?“ fragte Herr K.
„Ich will Dir ein Beispiel geben,“ sagte sein Freund „nehmen wir an, wir hätten ein schönes Grundstück und wollten eine große Villa darauf bauen, aber die Nachbarn wären nicht damit einverstanden. Was sollten wir tun? Sollten wir die Nachbarn darüber abstimmen lassen?“
„Aber nein,“ sagte Herr K., „sie würden doch niemals zustimmen.“
„Aber doch!“ entgegnete der Freund. „Wir müssten das nur richtig machen: Wir fragen, ´seid ihr damit einverstanden, dass wir ein kleines Gartenhäuschen bauen?´ Was werden die Nachbarn tun?“
„Vielleicht sagen sie ´ja´“, antwortete Herr K. „es kann aber auch sein, dass sie ´nein´ sagen.“
„Und schon haben wir gewonnen,“ sagte der Freund, „wenn sie mit ´ja´ stimmen, dann bauen wir unsere Villa und sagen den Nachbarn: ´Aber ihr habt doch zugestimmt, dass wir bauen dürfen.` – Und wenn sie mit ´nein´ stimmen, dann sagen wir: ´Ihr seid aber schlechte Demokraten, ihr habt doch abgestimmt. Das Gartenhaus habt ihr abgelehnt, folglich müsst ihr jetzt die Villa akzeptieren.´“
VI. Großzügig den Schwarzen Peter vergeben
Herr K. und das Kartenspiel
Ob er gerne Kartenspiele spiele, wurde Herr K. gefragt.
„Aber nein,“ sagte er, „mit derlei Kindereien gebe ich mich nicht ab.“
Komisch, entgegnete der Herr, der die Frage gestellt hatte, man habe ihm erzählt,
dass er großzügig Leuten den Schwarzen Peter zugeschoben habe.
„Aber das ist ja lächerlich,“ sagte Herr K..
Das habe er auch gedacht, sagte sein Gesprächspartner, deshalb könne er gar nicht verstehen, warum die Leute, die ihm das erzählt hätten, so empört gewesen seien.
Es müsse wohl auch von einem neumodischen Spiel die Rede gewesen sein, denn als
er selbst in seiner Kindheit noch Schwarzer Peter gespielt hätte, sei niemals von geplanten Bahnhöfen, von merkwürdigen Abstimmungen und von schlechten Demokraten die Rede gewesen. In der Zeit, aus der er das Schwarzer Peter Spiel kenne, sagte er, sei das ein völlig harmloses Kinderspiel gewesen.
VII. Mit dem Recht auf die Rechte eindreschen
Herr K. und die Repression
„Wenn aufmüpfige Bürger lästig werden,“ sagte Herr K., „dann ist es das Beste, wenn man sie den starken Arm des Rechts spüren lässt.“
“Aber die Bürger haben doch auch selbst viele Rechte,“ sagten die Leute.
„Genau,“ antwortete Herr K., „und diese Rechte müssen eingeschränkt werden. Ein guter Jurist wird immer Mittel und Wege finden, die Rechte durch die selektive Anwendung des Rechts zu bekämpfen.“
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